* Im Uhrmachergleichnis, das bereits seit 1802 durch die Geschichte geistert, als der englische Theologe William Paley zum ersten Mal darüber sinnierte und das später als "Gestaltungsargument" bekannt wurde, geht ein Mensch einen einsamen Strand entlang und findet dort, zu seiner Überraschung, eine Taschenuhr. Es ist eine ziemlich kompliziert aufgebaute Uhr mir vielen ineinandergreifenden Zahnrädern. Der glückliche Finder schließt aus seinem Fund, daß es einen Uhrmacher geben muß, der diese komplexe Mechanik geschaffen hat. Die Existenz dieser Uhr "beweist" das Vorhandensein des Uhrmachers. Analog dazu soll die Existenz komplexen Lebens das Vorhandensein eines Schöpfers beweisen
Nachtrag (02.09.2006) :
Als Betreiber einer Webseite wie der meinen, die sich letztendlich mit Zeugen der Evolution beschäftigt, nämlich den Trilobiten, wird man immer wieder – ob man nun will oder nicht – mit Besuchern konfrontiert, die einen um jeden Preis davon überzeugen wollen, daß das mit der Evolution doch alles völlig unbewiesener und dazu noch atheistischer Quatsch sei, auch wenn ich mich strikt weigere diese unsinnige Debatte (siehe oben) zu führen. Dabei stelle ich immer wieder fest, daß viele dieser bisweilen sicher gutmeinenden Menschen recht abstruse Vorstellungen davon haben, was Evolution wirklich ist. Ich bleibe dabei, daß ich nicht gewillt bin mich an dieser Diskussion an vorderster Front zu beteiligen, fühle mich aber dennoch genötigt zumindest einen Denkanstoß für die Zweifler zu geben, indem ich hier mal ganz klar aufzeigen will um was es eigentlich geht:
„Es ist doch nur eine Theorie, und sonst nichts!“ so bekomme ich oft zu hören. Leute, die sich so äußern, haben ein mangelndes Verständnis davon was der Begriff „Theorie“ im wissenschaftlichen Sinne eigentlich bedeutet. Der am meisten anzutreffende Fehler in der Argumentation dieser Menschen ist, daß sie nicht zu unterscheiden wissen zwischen Faktum und Theorie.
Die Evolution ist ein Faktum und keine Theorie - so schockierend und kontrovers sich das auch anhören mag! Ich spreche hier nicht einmal explizit von Darwins Theorie über den "Ursprung der Arten durch natürliche Zuchtwahl". Ich spreche vom steten Wandel im Genpool des Menschen, im Genpool aller Arten, von der Blaualge bis hin zum Dinosaurier; vom kleinsten Bakterium hin bis zum riesigen Blauwal, der jeden Tag durch Geburt und Tod von neuem am Laufen gehalten wird. Wenn man akzeptiert, daß nicht alle Individuen einer Art die gleiche DNS aufweisen (Kriminelle wissen ein Lied davon zu singen), und daß durch die Fortpflanzung die DNS von zwei verschiedenen Individuen kombiniert wird um eine neue, leicht veränderte DNS zu produzieren, und man zudem akzeptiert, daß nicht alle Individuen lange genug leben um sich überhaupt fortzupflanzen, dann ..... ja, dann hat man in dem Moment auch akzeptiert daß die Evolution ein beobachtbarer, natürlicher Vorgang ist. Das ist Evolution! Nicht mehr und nicht weniger! Ein Wandel in den Genen über die Zeit hinweg. Es gibt in der wissenschaftlichen Welt keinen Disput darüber, ob die Evolution existiert. Das Leben entwickelt sich weiter! Das ist die Bedeutung von „Evolution“! Sie ist ein Naturgesetz, so real und präsent wie die Schwerkraft!
Die „Evolutionstheorie“, andererseits, ist der Versuch zu beschreiben was passiert, wie es passiert und - mit Abstrichen - warum. Die Theorie beschreibt die Fakten und die Beweise. Sie kommt nach der Beobachtung der Fakten. Die Evolutionstheorie von Darwin und Wallace mag sich irgendwann als gänzlich fehlerhaft herausstellen (obwohl sie bereits seit über 150 Jahren standhält), aber das würde kein Iota an der Tatsache ändern, daß die Evolution ein Faktum ist. Wir müßten lediglich einen besseren Weg finden sie zu beschreiben und zu erklären!
Eine gute Theorie kann auch dazu genutzt werden Voraussagen über zukünftige Entwicklungen zu treffen, basierend auf den bekannten Fakten und Beweisen. Eine Theorie sollte auch widerlegbar sein – was bedeutet, daß es möglich sein sollte, sich ein Experiment auszudenken, daß die besagte Theorie aushebelt, so sie nicht tauglich ist. Ein großes Problem der kreationistischen Hypothesen ist, daß sie Gegenargumenten nicht offen gegenüber stehen – jeder mögliche Beweis, der gegen sie ins Feld geführt wird, kann durch Variationen von „Gott tat es, aus einem Grund den wir nicht zu verstehen brauchen“ wegerklärt werden. Daraus ergibt sich:
Der Begriff „Theorie“, wie er von Wissenschaftlern gebraucht wird, hat für diese eine ganz andere Bedeutung als das, was der Typ am Tisch nebenan unter „Theorie“ versteht während er sein Pils schlürft. Eine Theorie ist der Versuch ein beobachtetes Phänomen zu erklären, und zwar durch Beweise und Experimente, und nicht durch wilde Spekulationen oder Ideen die einem mal eben so gerade im Kopf herumspuken.
Zum Beispiel erlaubt uns die Aerodynamik große Flugzeuge für Hunderte von Passagieren zu bauen. Tonnen und Tonnen von Metall die fliegen - weil eine Theorie besagte, daß Flügel sie nach oben tragen würden. Klang vielleicht unwahrscheinlich, aber es funktionierte trotzdem. Niemand würde sich weigern die gute alte Boeing 747 zu betreten nur weil sie von Theoretikern erdacht wurde, oder? Und ich weiß genau wovon ich rede, denn diese Flugzeuge sind mein Beruf.
Theorien werden oft benutzt um „Gesetze“ zu beschreiben. Das „Gravitationsgesetz“ ist eines der bekanntesten. Man nehme einen Apfelbaum und plaziere einen Wissenschaftler darunter und ein fallender Apfel wird ihn unweigerlich treffen (Etwas präziser: Objekte ziehen sich durch die Gravitation gegenseitig an). Die Theorie der Gravitation versucht das Gesetz der Gravitation im Detail zu erklären, wie sie funktioniert und was sie verursacht. Die Evolutionstheorie, gleichermaßen, versucht das Faktum der Evolution zu beschreiben und zu erklären. Die Evolution findet statt, man kann sie beobachten, messen und mit ihr experimentieren. Die Theorie der Evolution beschreibt die Tatsachen der Evolution. Selbst wenn sich die Evolutionstheorie als völliger Mißgriff herausstellen sollte, bliebe das Faktum ihrer Existenz davon gänzlich unberührt – man würde lediglich eine neue Theorie benötigen die vielleicht nicht all das zu erklären imstande sein müßte was die Evolutionstheorie zu erklären imstande war, die aber auf jeden Fall erklären müßte warum sich dieselbe über mehr als 150 Jahre als unwiderlegbar hat halten können.
Die Theorie über die Evolution ist auch heute noch Gegenstand hitziger Debatten. Die zugrundeliegenden Prinzipien sind sehr gut verstanden und unstrittig, aber es gibt eine Menge an unterschiedlichen Ansichten über viele Details. Das bedeutet nicht daß man die Theorie über Bord werfen kann - oder gar daß sie rundweg falsch wäre. Sie benötigt einfach noch mehr Arbeit und Zeit. Um das Beispiel aus der Aerodynamik wieder aufzugreifen: Dort kann man seine Theorien in einem Windkanal innerhalb weniger Stunden verifizieren oder als Fehler entlarven. Aber um die Evolutionstheorie auf Herz und Nieren zu testen braucht man ein Reagenzglas von der Größe eines Planeten und ein paar Milliarden Jahre Zeit.
Wenn gutes, solides Beweismaterial beigeschafft wird das die Evolutionstheorie als falsch widerlegt, dann wird diese Theorie (wie alle Theorien) entweder radikal an die neuen Beweise angepaßt werden müssen oder, wenn das nicht möglich sein sollte, komplett zu verwerfen sein. Doch bislang hat niemand solches Beweismaterial vorlegen können ...
Eines der Probleme in der Entwicklung der Evolutionstheorie ist die Tatsache, daß Veränderungen in großem Rahmen sich nur in noch größeren Zeiträumen vollziehen. Kleinere evolutionäre Veränderungen kann man innerhalb von Tagen produzieren – man denke nur an die Hundezucht, an das Auftreten myxomatose-resistenter Kaninchen in Australien, Fruchtfliegen in Laboratorien oder antibiotika-resistente Bakterien. Die Evolution findet statt, jetzt, und das zu bestreiten ist schlichtweg Unsinn. Und zu behaupten daß „das ganze letztendlich nur eine Theorie“ sei ist genauso unsinnig. Denn es ist eine Theorie die von überwältigendem, frei zugänglichem Beweismaterial gestützt wird und die lediglich in Details vielleicht einer Nachbearbeitung bedarf.
Ich denke viele Kreationisten realisieren das, und das ist auch der Grund warum manche versuchen die Evolutionstheorie in Mißkredit zu bringen, indem sie sie ins Lächerliche zu ziehen versuchen oder durch gezielte Mißinformationen zu unterminieren trachten. Wenn sie sich so sicher darin sind, daß die Theorie falsch ist, dann haben sie nichts anderes zu tun als sie durch normale, rationale, wissenschaftlich belegte Methoden zu widerlegen. Bislang hatten sie damit kein Glück - und werden es auch nie haben, denn wie bereits erwähnt, kann man Wissenschaft nicht mit Religion widerlegen - , da bleibt dann nichts anderes als das vollabsichtliche Verfremden, das Mißinterpretieren, das Manipulieren der wissenschaftlichen Fakten.
Ein passendes Beispiel dafür ist die Webseite des Herrn Adnan Oktar, der sich gerne "Harun Yahya" nennt: evolutionsschwindel.com. Der dort zu findende Abschnitt über den Fossilnachweis belegt nichts anderes als eine fundamentale Ignoranz der Fakten, die von eindeutigen Interessen motiviert ist. Er zitiert zwar Darwins eigenes Unbehagen über den mangelnden Fossilnachweis, erwähnt aber in keiner Weise die von Darwin anschliessend ausführlich dargelegten und logisch nachvollziehbaren möglichen Ursachen. Dabei hat er dann noch die Chuzpe das Trilobitenauge als Gegenbeweis zur Evolutionstheorie zu mißbrauchen: "Außerdem hat sich die Wabennetzstruktur des Trilobitenauges bis in unsere Zeit ohne die geringste Änderung erhalten. Einige Insekten, wie die Biene und die Libelle haben die gleiche Augenstruktur wie die der Trilobiten. Dieser Stand der Dinge widerlegt die evolutionistische Hypothese, dass Lebewesen sich evolutiv fortschreitend von primitiven in komplexe Lebensformen entwickelten." Mehr braucht man zu den Kenntnissen des Herrn Oktar wohl nicht zu sagen!
Speziell in den USA und heutzutage auch zunehmend in Europa sind gefährliche Bestrebungen seitens des Kreationismus im Gange, die Grundlagen unserer aufgeklärten, freien Gesellschaften durch religiös motivierten Fundamentalismus zu untergraben, der sich darüber hinaus zunehmend mit politischem Machtstreben verbindet. Ein Fundamentalismus, der sich in seiner Form im übrigen nicht sehr vom islamischem Fundamentalismus unterscheiden würde! Mit pseudo-wissenschaftlichen Vorträgen und Artikeln versuchen Kreationisten und Anhänger des "Intelligent Design" die Evolutionstheorie als eine Art von brüchiger Kette darzustellen: Wenn man ein Glied der Kette bricht (z. B. den Mangel an fossil überlieferten Übergangsformen heraushebt), dann wird die Kette zerstört und fällt in sich zusammen. Nichts ist unwahrer! Die Evolutionstheorie ist keine Kette, sie ist ein Seil - und zwar ein ziemlich dickes! ;-) Ein Seil aus vielen einzelnen Strängen, die alle ineinander verdreht und verzwirbelt sind. Dieser Strang hier ein Indiz, jener Strang dort ein Beweis. Sie können mehrere dieser Einzelstränge zerschneiden, die die Evolutionstheorie stützen, das Seil bleibt dennoch straff und stark! Halten sie sich diese Analogie vor Augen!
Dem christlichen Kreationismus, der versucht Gott durch "Wissenschaft" zu beweisen, und der sich dazu auch politischer Macht zu bedienen trachtet, halte ich zwei Zitate aus berufenem Munde entgegen. Eines davon findet sich am Anfang dieser Seite. Ein zweites füge ich hier an. Der von mir aus persönlichen Gründen sehr geschätzte Papst Benedikt XVI., hat in seinem letzten Werk über Jesus von Nazareth, das ich im übrigen jedem Besucher zur Lektüre empfehlen möchte, folgende mahnenden Worte gefunden:
"Die ganze große Frage, wie man Gott erkennen und wie man ihn nicht erkennen kann, wie der Mensch zu Gott stehen und wie er ihn verlieren kann, steht ... vor uns. Der Hochmut, der Gott zum Objekt machen und ihm unsere Laborbedingungen auflegen will, kann Gott nicht finden. Denn er setzt bereits voraus, dass wir Gott als Gott leugnen, weil wir uns über ihn stellen. Weil wir ... nur noch das Experimentierbare, das in unsere Hand gegeben ist, als wirklich anerkennen. Wer so denkt, macht sich selbst zu Gott und erniedrigt dabei nicht nur Gott, sondern die Welt und sich selbst."
Diese Worte des Papstes sind nicht gegen die gerichtet, die versuchen anhand der Wissenschaft zu Erkenntnissen zu gelangen. Sie sind vielmehr gegen die gerichtet, die durch Wissenschaft versuchen Gott zu beweisen oder zu negieren. Wir versuchen hier nicht Gott zu widerlegen, schon gar nicht mit Wissenschaft.
Und wenn sie das nächste mal in ein Flugzeug steigen, dann denken sie auch noch einmal an die Theorien, die dafür sorgen, daß ihr metallenes Transportmittel nicht vom Himmel fällt. Wenn sie diesen Theorien keinen Wert beimessen, und den Theoretikern ihre Erkenntnisse absprechen, dann sollten sie besser am Boden bleiben!