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Seid fruchtbar und mehret euch .... aber wie?

Die Frage, wie sich Trilobiten fortpflanzten, ist schwierig zu beantworten, da wir recht wenig darüber in Erfahrung bringen können. Die Klasse Trilobita ist ohne Nachkommen ausgestorben, unser gesamtes Wissen basiert lediglich auf den versteinerten Überresten ihrer Panzer, die ja selbst nur einen Teil des vollständigen Tieres darstellen. Natürlich vergleichen wir automatisch mit rezenten, ähnlichen Taxa aus dem Stamm der Arthropoden und so ergeben sich zahlreiche Möglichkeiten, von denen wir allerdings keine in die Spalte "gesicherte Erkenntnise" umbuchen können.

Amerikanischer Hummer in BrutgrubePfeil Man kann davon ausgehen, daß Trilobiten als marine Arthropoden Eier produzierten. Die Frage ist, wie wurden diese Eier befruchtet und gab es eine aktive Brutpflege? Bei der Fortpflanzung von anderen marinen Arthropoden wie rezenten Krebsen gibt es zum Beispiel hinsichtlich des Zeugungsvorganges einige Variationen. Dabei reicht das Spektrum von einer einfachen Abgabe der Spermien und Eier in das freie Wasser (äußere Befruchtung) über eine innere Befruchtung durch speziell umgestaltete Extremitäten bis hin zur "Haltung" von Zwergmännchen in einer übergroßen Geschlechtsöffnung des Weibchens bei einigen parasitischen Arten. Die letztgenannte Möglichkeit ist sicher die unwahrscheinlichste, die erste und zweite jedoch kommen definitiv in Betracht.

Allerdings hat man bislang keine Anhaltspunkte dafür gefunden, daß die Trilobiten eine spezielle Extremität besessen hätten, die die zweite Option begünstigt haben würde. Wahrscheinlich ließe sich eine solche Extremität - insofern vorhanden und in der Annahme, daß diese Extremität nicht durch einen mineralisierten Panzer geschützt war, sondern eher den normalen Spaltbeinen glich - nur bei den wenigen Fundstellen mit Weichteilerhaltung ausmachen. Entsprechende Meldungen sind mir aber nicht bekannt.

Trilobit mit Bruttasche?Am wahrscheinlichsten erscheint mir daher, daß die Trilobiten sich mehr oder weniger frei vermehrten, sei es durch die Ablage von Eiern in Sedimentgruben oder ihre Befestigung an Pflanzen, etc., mit anschließender Abgabe von Spermien durch das Männchen oder einfach durch das gleichzeitige Entlassen von Eiern und Spermien in das freie Wasser. Vielleicht ist manche Ansammlung von Trilobitenpanzern, die man heute als eindrucksvolle fossile Hinterlassenschaft bestaunt, weder eine sogenannte „Death Assemblage“, noch eine Konzentration zusammengespülter Häutungsrückstände, sondern eher eine „Mating Assemblage“?

Fortey & Hughes haben allerdings bereits 1998 die Möglichkeit in Erwägung gezogen, daß Trilobiten eine aktive Brutpflege betrieben und die befruchteten Eier und / oder späteren Larven in einer Art "Bruttasche" mit sich herumtrugen. (Fortey, R.A. & N.C. Hughes, 1998. Brood pouches in trilobites. Journal of Paleontology 72 (4) : 638-49) Grund für diese Annahme war der Fund von fossilierten Trilobiten aus dem Kambrium und Ordovizium mit massiven Aufschwellungen im Präglabellarbereich, die offenbar nur bei erwachsenen Tieren auftraten und den einzigen morphologischen Unterschied zu Artgenossen darstellten.

Man findet ähnliche Merkmale bei Ostrakoden (Muschelkrebsen) und bestimmten anderen Arthropoden. Ich persönlich bin allerdings der Auffassung, daß man weitaus mehr Fossilien dieser Brutpflege betreibenden Trilobiten hätte finden müssen als man dies bislang getan hat. Es ist allerdings auch nicht ausgeschlossen, daß sich sowohl Zeugungsvorgang als auch Brutpflege bei unterschiedlichen Arten anders gestaltete. So hat man besagte Bruttaschen beispielsweise nur bei Trilobiten mit natantem Hypostom gefunden. Was ist mit den Trilobiten mit konterminantem, bzw. impendentem Hypostom?

Eine Sache, die mich in Anbetracht der Bruttaschen-Theorie seit langem ganz persönlich beschäftigt, ist diese: Falls es sich bei der "Bruttasche" tatsächlich um eine ebensolche handelt, dann wäre anzunehmen, daß es sich um eine vorübergehend bestehende, temporäre Morphologie handelt.

Ansammlung von PanzernIn der Regel wird aber bei brutpflegenden Spezies die Nachkommenschaft mit allen erdenklichen Mitteln abgeschirmt, denn sie ist der Garant für das Überleben der Art. Es wäre unlogisch, daß eine solche Auftreibung, insofern sie tatsächlich der Brutpflege diente und ja aufgrund ihrer Größe nur eine von vornherein wie auch immer beschränkte Anzahl an Eiern oder Larven aufnehmen konnte, weniger gegen Freßfeinde und Umwelteinflüße geschützt gewesen sein soll als die restliche Dorsalseite des Trilobiten. Und tatsächlich war diese Auftreibung mineralisiert, denn ansonsten hätte man keine fossilen Belege dafür gefunden.

Pfeil Das bedeutet aber, daß man den Begriff „temporär“ drastisch einschränken muß. Erst bei einer erneuten Häutung des Trilobiten kann man sich eine Rückkehr zur „Standardmorphologie“ vorstellen, und das erscheint mir dann doch etwas bedenklich, zumal sich auch die Frage nach dem Wachstumsablauf dieser Auftreibung stellt, denn wir gehen ja davon aus, daß Trilobiten nur während der relativ kurzen Zeit wachsen konnten, die unmittelbar auf einen Häutungsvorgang folgte. Aus dieser vielleicht etwas kurzsichtigen Betrachtung heraus könnte man schließen, daß sowohl die Ausbildung als auch die Rückbildung der Bruttasche an den Häutungszyklus des Trilobiten gebunden waren.

Ostrakode mit BruttascheMan könnte weiterhin daraus schlußfolgern, daß der Trilobit - folgen wir der These daß Wachstum nur innerhalb eines kurzen Zeitraumes nach einer Häutung stattfinden konnte - sich bereits von vornherein dazu entschlossen haben mußte zu einem bestimmten Zeitpunkt Eier auszutragen, denn es ist anzunehmen, daß er mit der Ausbildung der Bruttasche unmittelbar nach einem Häutungsvorgang beginnen mußte um die entsprechende Größe überhaupt erreichen zu können.

Pfeil Hier kommt allerdings eine Sache ins Spiel, die Forteys und Hughes' Vorstellung durchaus als realistisch erscheinen läßt und die "Bruttaschen"-Theorie untermauern könnte: Es gibt rezente Arthropoden, bei denen beim Weibchen eine Hochzeits-Häutung eintritt, sobald das Männchen seinen Samen übergeben hat, also ein vom regulären Zyklus abweichender, anlaßabhängiger Vorgang. Im Zuge einer solchen Häutung könnte dann mittels lymphalen Drucks recht schnell eine große Bruttasche "aufgepumpt" werden. Von hier ist es nur ein kleiner Schritt bis zur Vorstellung, daß eine ähnliche, bedarfsgesteuerte Häutung - beispielsweise nach Entlassung der Larven - die Auftreibung auch wieder verschwinden lassen könnte.

Fortey & Hughes merken in ihrer Arbeit an, daß sie sich mit ihrer These lediglich auf eine gewisse Anzahl von Spezies beziehen. Sie nennen insgesamt 70 Kandidaten, die alle aus dem Kambrium und Ordovizium stammen und kommen zu dem Schluß, daß "Bruttaschen" offensichtlich kein übergreifendes Charakteristikum darstellen.

Detailaufnahme der HummereierAndererseits verweisen sie auf Vertreter der rezenten Pfeilschwanzkrebse (insbesondere auf Tachypleus rotundicaudus, ein Tier, daß durch Forteys Beschreibung in Trilobiten! bekannter geworden ist), die ihre recht großen, dotterreichen Eier ebenfalls innerhalb des Kopfschildes (Prosoma) tragen, ohne dabei eine sichtbare Auftreibung zu entwickeln. Zwischen den Zeilen deuten sie damit dann, daß möglicherweise alle Trilobiten ihre Eier auf diese Weise mit sich herumtrugen, ohne daß sich bei allen Taxa automatisch die besagten "Bruttaschen" entwickeln mußten. Natürlich ist diese Möglichkeit nicht gänzlich von der Hand zu weisen.

Im Zuge der Erarbeitung dieser Seite hatte ich einige der aufgeworfenen Fragen innerhalb der Yahoo! Trilobites2 Diskussionsgruppe zur Disposition gestellt, worauf Richard Fortey dankenswerterweise die folgende Klarstellung getroffen hat:

"As one of the perpetrators of the brood pouch idea, I ought to chip in at this point to say that no, of course most trilobites didn't have them. The most striking example was described in detail by myself and Bob Owens in Palaeontology 40:p. 451 in an olenid. I think it likely that this curious anterior structure was most often developed in trilobites that lived in oxygen poor environments. I think they may have been associated with larger, 'yolky' eggs (rather as in limuloids), where the trilobites might have needed to give their babies a helping hand during the earliest phases of growth. I also brought up the idea that some of these partiuclar trilobites may have 'farmed' colourless sulfur bacteria in this peculiar habitat, to which not other trilobites were well adapted. We don't know that much about the growth of the structure, although we do know that in the olenids at least pouches were not present in small individuals, so presumably appeared when they were ready to breed. It would be good to know whether they appeared at a particular moult."

Elrathia mit BruttascheDennoch - in Anbetracht der Seltenheit von fossilierten Trilobiten mit präglabellaren Auftreibungen ist es sichr nicht zweifelsfrei bewiesen, daß die von Fortey & Hughes beschriebenen Auffälligkeiten bei einigen Spezies tatsächlich Bruttaschen repräsentieren und daß Trilobiten aktive Brutpflege betrieben. Führt man sich vor Augen in welchen Massen Trilobiten auf den Böden der Urozeane umherwuselten, so müsste es meiner bescheidenen Meinung nach ganz einfach viel mehr dieser Fossilien geben, auch wenn diese morphologischen Eigenheiten nur bei einigen Arten auftraten. Beide haben in ihrer Arbeit zudem angemerkt, daß es vorstellbar sei, daß Trilobiten über mehrere Häutungszyklen hinweg eine "Bruttasche" besaßen. Dies würde bedeuten, daß während dieser Häutungen jedesmal eine Exkuvie samt "Bruttasche" hätte hinterlassen werden müssen, was die seltenen Funde dieser Fossilien noch dubioser macht.

Wir wissen einfach nicht genug. Fossilierte Trilobiteneier wurden z. B. in der gesamten Geschichte der Trilobitenkunde nur ein einziges Mal bei kambrischen Agnostida beschrieben (Zhang & Pratt, 1994). Und über die embryonale Entwicklung wissen wir überhaupt nichts. Dennoch ist der Ansatz von Fortey & Hughes sicher ein wichtiger und manche Schlußfolgerungen sind nicht einfach von der Hand zu weisen.

Der Bereich „Reproduktion“ bleibt also ein bislang wenig bestelltes Feld, was allerdings nicht am Unvermögen der Wissenschaftler liegt, sondern einzig und allein an den Beschränkungen, die uns mehrere Hundert Millionen Jahre mit ihrem ganzen Gewicht auferlegen. Es bleibt zu hoffen, daß wir zukünftig neuen Hinweisen auf die Fortpflanzung der Trilobiten begegnen. Bis es soweit ist müssen wir uns leider, auch wenn es schwerfällt, mit Spekulationen zufriedengeben.

 

Letzte Aktualisierung: Donnerstag, 31.01.2019 14:35